Christus als Herr des Karma
GA 130 - Seite 165ff
Wenn der Mensch durchgegangen ist durch die Pforte des Todes
und durchlebt hat jene Zeit, in welcher er Rückschau halten kann auf
das bisherige Erdenleben, durchlebt hat die Zeit bis zu dem Punkt, da
er den Ätherleib abgelegt hat, wenn der Mensch übergeht in die
Kamaloka-Zeit, dann tritt er vor zwei Gestalten hin. Gewöhnlich wird
nur eine von diesen erwähnt, aber wir können der Vollständigkeit
halber sagen - und was ich jetzt erzähle, ist für jeden wahren Okkultisten
eine reale Tatsache -: Es tritt der Mensch vor seiner Kamaloka-
Zeit vor zwei Gestalten hin. Allerdings, was ich jetzt erzähle, gilt
nur für die Menschen des Abendlandes und für alle diejenigen Menschen,
welche mit der Kultur dieses Abendlandes in den letzten Jahrtausenden
einen Zusammenhang gehabt haben. Da tritt der Mensch
nach seinem Tode zwei Gestalten gegenüber: Moses ist die eine - der
Mensch weiß ganz genau, daß er Moses gegenübertritt -, der ihm
vorhält die Gesetzestafeln, im Mittelalter nannte man es « Moses mit
dem scharfen Gesetz », und der Mensch hat ganz genau in seiner Seele
das Bewußtsein, inwiefern er bis in das Innerste seiner Seele abgewichen
ist von dem Gesetz. Die andere Gestalt ist diejenige, die man nennt
«den Cherub mit dem feurigen Schwert», der da entscheidet über
diese Abweichung. Das ist ein Erlebnis, das der Mensch hat nach dem
Tode, so daß wir in unserem geisteswissenschaftlichen Sinne sagen
können: Das was da dem Menschen entgegentritt durch diese zwei
Gestalten, durch Moses mit dem scharfen Gesetz und durch den
Cherub mit dem feurigen Schwert, es stellt gewissermaßen das karmische
Konto fest.
Diese Tatsache geht in unserer Zeit einer Änderung entgegen. Und
das ist eine bedeutsame Änderung. Man kann diese Änderung dadurch
ausdrücken, daß man sagt: Es wird in unserem Zeitalter der Christus
der Herr des Karma für alle diejenigen Menschen, die das eben Besprochene
nach ihrem Tode durchgemacht haben. Es tritt der Christus
sein Richteramt an.
Stellen wir uns diese Tatsache genauer vor! Wir wissen ja alle aus
der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung, daß wir ein karmisches
Lebenskonto haben, daß wir für gewisse Taten, die auf der einen
Seite unseres karmischen Kontobuches stehen, für alle gescheiten
Taten, für alle schönen Taten, für alle guten Taten einen gewissen
karmischen Ausgleich zu erfahren haben, aber auch für alle bösen,
häßlichen, unwahren Taten und Gedanken. Es kommt nun auf der
einen Seite darauf an, daß der Mensch im weiteren Verlaufe seines
Erdenlebens für sich selber dieses karmische Konto auslebt, aber es
kommt auch darauf an, daß der Mensch dasjenige, was er ausleben
kann dadurch, daß er gute Taten, schöne Taten auf seinem karmischen
Konto hat, oder was er ausleben muß, weil er böse Taten hat, in den
verschiedensten Taten ausleben kann. Es ist nicht eindeutig bestimmt,
wie wir, sagen wir, den Ausgleich durch diese oder jene Tat in unserem
künftigen Leben rinden. Nehmen wir an, irgendein Mensch hätte
dieses oder jenes Böse getan, so muß er ein Gutes tun, welches ausgleicht
das Böse. Aber dieses Gute, das kann er in zweifacher Weise
tun, so daß es vielleicht für ihn die gleiche Anstrengung bedeutet,
wenn es nur wenig Menschen zugute kommt oder so, daß es für ihn
die gleiche Anstrengung bedeutet, wenn es vielen Menschen zum
Heile gereicht. Daß unser karmisches Konto in der Zukunft so ausgeglichen
wird, das heißt in eine solche Weltordnung hineingestellt
wird gegen die Zukunft, wenn wir den Weg zum Christus gefunden,
daß die Art unseres karmischen Ausgleiches das größtmöglichste
Menschenheil für den Rest der Erdenentwickelung hervorrufe, das
wird die Sorge sein dessen, der von unserer Zeit an der Herr des
Karma wird, es wird die Sorge Christi sein.
Mit dieser Übertragung des Richteramtes über die menschlichen
Taten an den Christus ist aber verknüpft, daß dieser Christus auch
unmittelbar eingreift in die menschlichen Geschicke. Nicht in einem
physischen Leib, aber deshalb doch für diejenigen Menschen, die sich
immer mehr und mehr die Fähigkeit erwerben werden, daß sie wahrnehmen
können diesen Christus, für die wird der Christus eingreifen
in die Geschicke der Erdenmenschheit. Da werden zum Beispiel Menschen
sein, welche dieses oder jenes getan haben werden, irgendeine
Tat vollbracht haben werden. Dann werden diese Menschen den
Drang verspüren - und immer mehr und mehr wird es solche Menschen
geben in den nächsten drei Jahrtausenden von unserem zwanzigsten
Jahrhundert an -, etwas zurückzutreten von ihrer Tat, Denn
etwas wie ein merkwürdiges Traumbild wird ihnen aufsteigen. In
diesem Traumbild werden sie wie traumhaft etwas sehen, was so aussieht,
wie wenn es ihre eigene Tat wäre, aber doch werden sie sich
nicht erinnern können, jemals getan zu haben, was in diesem Bilde
auftritt. Diejenigen aber, die sich nicht vorbereitet haben dafür, daß
so etwas kommen wird in der Menschheitsentwickelung, die werden
das nur als Ausbund einer wüsten Phantasie oder kranken Seele betrachten
können. Jene aber, welche sich durch die neue Offenbarung,
welche in die Menschheit kommt in unserer Zeit durch die Geisteswissenschaft,
durch diese dritte Offenbarung des letzten Menschheitszyklus,
genügend vorbereitet haben, werden wissen, daß dies heranwachsende
neue Fähigkeiten der Menschen sind, solche Fähigkeiten,
welche hineinschauen können in die geistige Welt. Und sie werden
wissen, daß das Bild, das vor ihre Seele tritt, eine Vorherverkündigung
jener karmischen Tat ist, welche eintreten muß einmal in der Zukunft,
sei es in diesem Leben, sei es namentlich in den nächsten Erdenleben,
um einen Ausgleich für das zu schaffen, was wir begangen haben.
Kurz, die Menschen werden nach und nach die Fähigkeit erringen,
den karmischen Ausgleich, die ausgleichende Tat, die in der Zukunft
geschehen muß, zu schauen wie im Traumbilde. An dieser Tatsache
können wir schon sehen, wie auch in unserer Zeit gesagt werden darf,
ähnlich wie der Täufer Johannes am Jordan gesagt hat: Ändert die
Seelenverfassung, denn neue Zeiten kommen, in denen neue Fähigkeiten
der Menschen erwachen.
Aber was so gesagt ist über eine Art Wahrnehmung des Karma,
das tritt noch dadurch in der kommenden Menschheit hervor, daß
einem in solchem Schauen direkt entgegentritt da oder dort die
ätherische Christus-Gestalt, der wirkliche Christus, wie er auf dem
astralischen Plane lebt, wie er zwar nicht im physischen Leibe sich
verkörpert, wie er aber auf der Erde auftritt, sichtbar für die neu
erwachten Fähigkeiten der Menschen als Ratgeber, als Beschützer der
Menschen, die Rat oder Hilfe oder Trost brauchen in der Einsamkeit
ihres Lebens. Da werden die Zeiten kommen, wo die Menschen, sagen
wir, sich durch das oder jenes betrübt und elend fühlen werden. Die
Zeiten werden immer mehr und mehr solche werden, wo weniger
Bedeutung und Wert haben wird das, was Hilfe des einen Menschen
für den anderen ist, weil die Individualitätskraft, das individuelle
Leben des Menschen immer mehr und mehr zunimmt, wo immer
weniger wird, wie das in alten Zeiten unmittelbar der Fall war, daß
der eine Mensch in die Seele des anderen helfend hineinwirken könne.
Dafür aber wird der große Ratgeber als Äthergestalt da und dort
erscheinen.
Der beste Rat, der uns für die Zukunft gegeben werden kann, ist
der, unsere Seele zu stärken und zu kräftigen, damit wir immer mehr
und mehr erkennen, je mehr wir der Zukunft entgegenwachsen, sei
es schon in dieser Inkarnation - was für die Jugend der Gegenwart
der Fall ganz gewiß ist -, sei es für die nächste Inkarnation, daß neu
erwachte Fähigkeiten der Menschen den großen Ratgeber, der zugleich
der Richter des Karma für die kommende Menschheit wird, den
Christus in seiner neuen Gestalt erkennen lernen.
Für die Menschen, die sich schon jetzt vorbereiten auf dieses
Christus-Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts, wird es keinen Unterschied
machen, ob sie dann, wenn dieses Christus-Ereignis in umfassendem
Maße eintritt, in einem physischen Leibe verkörpert sind
oder durch die Pforte des Todes gegangen sind. Denn auch diejenigen,
die durch die Pforte des Todes gegangen sind, wenn sie sich hier auf
das Christus-Ereignis vorbereitet haben, werden nach dem Tode das
richtige Verständnis und Verhältnis erhalten können für das und zu
dem Christus-Ereignis, nicht aber die jenigen, welche achtlos an der dritten
großen Verkündigung für die Menschheit, an der Geisteswissenschaft
vorübergegangen sind. Denn die Vorbereitung für das Christus-
Ereignis muß hier im physischen Leibe gewonnen werden. Diejenigen,
welche durch die Pforte des Todes gehen, ohne die Blicke hingewendet
zu haben zur Geisteswissenschaft in der gegenwärtigen Inkarnation,
werden abwarten müssen die nächste Inkarnation, bis sie in der richtigen
Weise Verständnis werden gewinnen können für das Christuscopyright
Ereignis. In der Tat, wer niemals von diesem Christus-Ereignis gehört
hat auf dem physischen Plan, kann auch das Verständnis nicht gewinnen
zwischen Tod und neuer Geburt, der muß dann warten, bis
er wiederum auf dem physischen Plan dazu vorbereitet wird.
So also steht die Menschenwesenheit, gleichgültig wann sie für die
jetzt bestehende Inkarnation stirbt, vor dem großen angedeuteten
Ereignis, vor dem Übergang des Christus zu seinem Richteramt, vor
der Möglichkeit, daß der Christus im ätherischen Leibe vom astralischen
Plane herunter in die Menschheitsentwickelung unmittelbar eingreift,
sichtbar wird unter den Menschen, da und dort auftritt.
Das ist das Eigentümliche der Menschheitsentwickelung aber, daß
alte, nicht so sehr mit der geistigen Entwickelung zusammenhängende
Eigenschaften der Menschen immer mehr und mehr ihre Bedeutung
verlieren. Wenn wir die Menschheitsentwickelung seit der atlantischen
Katastrophe überblicken, so können wir sagen: Von den großen
Unterschieden, die sich in der atlantischen Zeit vorbereitet haben,
haben sich hereingelebt in die gegenwärtigen Menschen die Unterschiede,
die wir als Rassenunterschiede bezeichnen, und wir können
in einem gewissen Sinne noch sprechen von einer altindischen Rasse,
von einer urpersischen Rasse, von einer ägyptischen Rasse, von einer
griechisch-lateinischen Rasse, selbst noch in unserer Zeit können wir
von einer Art fünften Rasse sprechen. Aber jetzt schon hört der
RassenbegrirTauf, in bezug auf die Entwickelung der Menschheit einen
rechten Sinn zu haben. Nicht wird es so sein, wie es zum Beispiel in
früheren Zeiten war, daß für das, was als sechster Kulturzeitraum auf
den unserigen folgt, von irgendeinem räumlichen Zentrum aus die Verbreitung
dieser Kultur im wesentlichen geschieht, sondern, was wichtig
ist, das ist, daß Theosophie sich verbreitet unter der Menschheit,
daß sie - wie man bei ihrem Ursprünge sagte, als man noch mehr ein
dunkles Bewußtsein von dem gehabt hat, was als theosophische Bewegung
notwendig ist - eine Lehre sein muß ohne Unterschied von
Rasse, Nation und Geschlecht. Aus allen Rassen heraus werden diejenigen,
die durch die Geisteswissenschaft gegangen sind, für die
sechste Kulturepoche kommen und über die Erde hin eine neue
Kulturepoche begründen, welche nicht mehr auf einen Rassenbegriff
gegründet ist, gegenüber welcher der Rassenbegriff nicht mehr seine
Bedeutung hat. Kurz, das, was in der Welt der Maja, der äußeren
Räumlichkeit, eine Bedeutung hat, schwindet dahin. Das müssen wir
allmählich verstehen lernen, indem wir uns weiter entwickeln mit der
geisteswissenschaftlichen Bewegung.