Der Liebeleib

Der Liebeleib


Glaube, Liebe Hoffnung  

Und so wie wir eingebettet sind in einen Glaubensleib, den wir auch von anderen Gesichtspunkten aus den Astralleib nennen, so sind wir eingebettet in einen Liebeleib, den wir von anderen Gesichtspunkten aus in der Geisteswissenschaft benennen gelernt haben den ätherischen oder Lebensleib. Denn die Kräfte, die zunächst aus den Tiefen unseres Wesens heraufwirken zu uns aus unserem Ätherleib, sind die Kräfte, die sich dadurch ausdrücken, daß der Mensch lieben kann, lieben auf allen Stufen seines Daseins. Wenn der Mensch ganz und gar die Liebekraft aus seinem Wesen entfernen könnte - das kann selbst nämlich der egoistischste Mensch nicht, denn es gehört, Gott sei Dank, zu dem, was der Mensch egoistisch erstreben kann, auch das, daß er etwas lieben kann; sagen wir, um ein naheliegendes Beispiel zu gebrauchen, wenn derjenige, der nichts anderes mehr lieben kann, oftmals noch anfängt, wenn er recht geizig wird, das Geld zu lieben und sich so eine wohltätige Liebekraft doch wenigstens noch ersetzt durch eine aus dem gründlichen Egoismus herauskommende Liebekraft - so würde diese Hülle, weiche von den Liebekräften unterhalten wird, wenn gar nichts von Liebe in dem Menschen wäre, ganz zusammenschrumpfen und der Mensch würde tatsächlich an Liebeleerheit sterben müssen. Wirklich physisch sterben würde der Mensch an Liebeleerheit. Das Zusammenschrumpfen der Liebekräfte ist dasselbe, was wir nennen können das Zusammenschrumpfen der Kräfte des Ätherleibes, denn der Ätherleib ist zugleich der Liebeleib. So haben wir im Mittelpunkte des menschlichen Wesens des Menschen zentralen Wesenskern, das Ich. Umgeben haben wir dieses Ich von seiner nächsten Hülle, dem Glaubensleib, und den Glaubensleib wiederum umgeben von dem Liebeleib. Wenn wir weitergehen, so kommen wir noch zu einer Klasse von Kräften, die wir im Leben brauchen. Wenn wir diese Kräfte nicht haben können, gar nicht haben können, dann, ja dann drückt sich das in unserer äußeren Menschlichkeit in sehr bedeutsamer Weise aus. Das was wir im Leben brauchen als im eminentesten Sinne belebende Kräfte, das sind die Kräfte der Hoffnung, der Zuversicht für das Zukünftige. Der Mensch kann ohne die Hoffnung überhaupt nicht einen Schritt im Dasein machen, insoweit es der physischen Welt angehört. Der Mensch hat allerdings manchmal sonderbare Ausreden, wenn er zum Beispiel nicht einsehen will, daß es in gewisser Beziehung für den Menschen notwendig ist zu wissen, was sich zuträgt zwischen Tod und Geburt. Er sagt: Was brauchen wir denn das zu wissen, wir wissen ja nicht einmal, was mit uns am nächsten Morgen los ist, was sollen wir uns erst Kenntnisse aneignen über das, was zwischen Tod und Geburt sich zuträgt? Kennen wir wirklich nicht den nächsten Tag? Wir kennen etwas nicht in bezug auf den nächsten Tag, was für die Einzelheiten unseres übersinnlichen Lebens bedeutsam ist. Gröber ausgesprochen: wir wissen vielleicht nicht, ob wir noch physisch am Leben sind. Aber eines wissen wir: Sofern wir physisch am Leben sind, wird am nächsten Tage geradeso Morgen, Mittag und Abend sein wie heute. Und wenn wir heute als Tischler einen Tisch gemacht haben, so wird er am nächsten Tage da sein, und wenn wir heute Stiefel gemacht haben, so wird sie jemand am nächsten Tag anziehen können, und wenn wir Samen gelegt haben, so wissen wir, daß sie im nächsten Jahre aufgehen werden. Wir wissen just das, was wir zu wissen brauchen von der Zukunft, Wenn das nicht so wäre, daß sich in rhythmischer Weise, in einer vorher zu erhoffenden Weise die Ereignisse der Zukunft zutrügen, so wäre das Leben in der physischen Welt unmöglich. Würde jemand heute einen Tisch machen, wenn er nicht sicher sein könnte, daß er über Nacht nicht zerstört würde, würde er Samen pflanzen, wenn er keine Ahnung hätte, was das nächste Jahr daraus wird? Gerade für das physische Leben brauchen wir die Hoffnung, denn es hält die Hoffnung alles physische Leben zusammen und aufrecht. Nichts kann geschehen auf dem äußeren physischen Plan ohne die Hoffnung. Daher hängen auch die Hoffnungskräfte mit der letzten Hülle unseres menschlichen Wesens zusammen, mit unserem physischen Leib. Was die Glaubenskräfte für den Astralleib, die Liebekräfte für den Ätherleib sind, das sind die Hoffnungskräfte für den physischen Leib. Daher ein Mensch, der nicht hoffen könnte, ein Mensch, der verzweifeln müßte an demjenigen, was er voraussetzen muß für die Zukunft, er würde so durch die Welt gehen, daß das an seinem physischen Leibe wohl bemerkbar ist. Nichts so sehr als die Hoffnungslosigkeit drückt sich aus in den groben Furchen, in den ertötenden Kräften unseres physischen Leibes. Wir können sagen: Unser zentraler Wesenskern ist umhüllt von dem Glaubens- oder Astralleib, von dem Liebe- oder Ätherleib und von dem Hoffnungsleib, dem physischen Leib. Und erst dann fassen wir den physischen Leib in seiner richtigen Bedeutung, wenn wir das ins Auge fassen, was er ist: daß er in Wahrheit nicht äußere physische Anziehungsoder Abstoßungskräfte hat - das ist materialistische Anschauung -, sondern das, was wir in unseren Begriffen kennen als Hoffnungskräfte. Das ist in Wahrheit das, was in unserem physischen Leibe ist. Die Hoffnung baut unseren physischen Leib auf, nicht Anziehungsund Abstoßungskräfte. Gerade in dieser Beziehung können wir einsehen, daß uns die neue Offenbarung, die geisteswissenschaftliche Offenbarung das Richtige gibt. Was gibt uns diese Geisteswissenschaft? Sie gibt uns dadurch, daß sie uns bekannt macht mit dem allumfassenden Karmagesetz, mit dem Gesetze der wiederholten Erdenleben, das, was in geistiger Beziehung uns ebenso mit der Hoffnung durchdringt, wie uns das Bewußtsein, daß morgen die Sonne aufgehen wird, daß die Samen als Pflanzen wachsen werden, für den physischen Plan mit der Hoffnung ausstattet. Sie zeigt uns, daß das, was von uns auch noch im physischen Plan gesehen werden kann als das Untergehende, als das Pulverisiert- Werdende, wenn wir durch die Pforte des Todes gehen, daß dieser physische Leib von den Kräften, die uns als Hoffnungskräfte durchdringen, wenn wir Karma verstehen, wieder aufgebaut wird in einem neuen Leben. Mit den stärksten Hoffnungskräften stattet die Geisteswissenschaft die Menschheit aus.
 
GA 130 - Seite 174 -
Dezember 1911