Intellektualismus
Die Impulsierung
des weltgeschichtlichen Geschehens
durch geistige Mächte (1923)
GA 222 - Seiten 121ff
Das sind Zusammenhänge, die da zeigen, welche tiefe Bedeutung es
hat, daß der Mensch zu toten Gedanken gekommen ist, daß er sozusagen
in die Gefahr gekommen ist, ganz mit der Erde sich zu verbinden.
Und verfolgen wir das Bild weiter. Gültige Imaginationen lassen
sich weiter verfolgen. Nur ausgedachte Imaginationen lassen sich nicht
weiter verfolgen. Denken Sie sich einmal, hier wäre ein Spiegel (es wird
gezeichnet). Man sagt, er wirft das Licht zurück; die Ausdrucksweise
ist nicht ganz richtig, das Licht darf aber jedenfalls nicht hinter den
Spiegel kommen. Wodurch nur allein kann das Licht hinter den Spiegel
kommen? Dadurch, daß der Spiegel zerbrochen wird. Und in der Tat,
wenn der Mensch seine Gedanken nicht belebt, wenn der Mensch
stehenbleibt bei den bloß intellektualistischen, toten Gedanken, muß
er die Erde zerbrechen.
Das Zerbrechen beginnt allerdings bei dem dünnsten Elemente, bei
der Wärme. Und im fünften nachatlantischen Zeitraum hat man nur
die Gelegenheit, durch weiteres, immer weiteres Ausbilden der bloßen
intellektualistischen Gedanken die Wärmeatmosphäre der Erde zu verderben.
Dann aber kommt die sechste nachatlantische Periode. Würde die
Menschheit nicht bis dahin bekehrt sein vom Intellektualismus zur
Imagination, dann würde die Verderbnis nicht nur der Wärmeatmosphäre,
sondern der Luftatmosphäre beginnen, und die Menschen würden
mit den bloß intellektualistischen Gedanken die Luft vergiften.
Und die vergiftete Luft würde auf die Erde zurückwirken, das heißt,
zunächst das Vegetabilische verderben (siehe Zeichnung Seite 123).
Und im siebenten nachatlantischen Zeitraum hat der Mensch schon
Gelegenheit, das Wasser zu verderben, und seine Ausdünstungen würden
übergehen, wenn sie die Ergebnisse bloß intellektualistischer Gedanken
wären, in das allgemeine Flüssigkeitselement der Erde. Aus dem
allgemeinen Flüssigkeitselement der Erde heraus würde zunächst das
mineralische Element der Erde entformt werden. Und der Mensch hat
durchaus Gelegenheit, wenn er seine Gedanken nicht belebt und damit
dem Kosmos dasjenige zurückgibt, was er vom Kosmos empfangen hat,
die Erde zu zersplittern.
So hängt das, was im Menschen seelisch ist, mit dem natürlichen
Dasein zusammen. Und das bloß intellektualistische Wissen heute ist
lediglich ein ahrimanisches Produkt, um den Menschen hinwegzutäuschen
über diese Dinge. Indem man dem Menschen weismacht, daß
seine Gedanken bloße Gedanken sind, die mit dem Weltgeschehen
nichts zu tun haben, macht man ihm einen Nebel vor, als ob er keinen
Einfluß haben könnte auf die Erdenentwickelung, und als ob ohne
oder mit seinem Zutun einmal das Erdenende so oder so kommen wird,
wie es eben die bloße Physik vorschreibt.
Aber es wird nicht ein bloß physikalisches Erdenende kommen, sondern
dasjenige Erdenende, das die Menschheit selber wird herbeigeführt
haben.
Hier ist wieder einer der Punkte, wo sich uns zeigt, wie Anthroposophie
die moralisch-seelische Welt zusammenführt mit der physischsinnlichen
Welt, während heute gar kein solcher Zusammenhang vorhanden
ist und die neuere Theologie sogar etwas Vorzügliches darinnen
sieht, das Moralische ganz unabhängig zu machen von dem
Physischen. Und Philosophen, die da heute keuchend, gebückt, mit
krummen Rücken unter der Bürde der naturwissenschaftlichen Ergebnisse
sich dahinschleppen, die sind froh, wenn sie sagen können: Ja, in
der Natur, da gibt-es Wissenschaft; aber die Philosophie, die muß sich
auf den kategorischen Imperativ, auf dasjenige, worüber man nichts
wissen kann, erstrecken.