Schweigen als Verbrennungsprozess

Schweigen als Verbrennungsprozess

Man lebt in dem lebendigen Denken für das Ätherische. Man lebt in dem nicht von uns in Bewegung gesetzten, sondern durch den Logos erleuchteten Prozess, der sonst nur in der physischen Luft beim Sprechen lebt, auf der zweiten Stufe. Auf der dritten Stufe muss man etwas erkennen, was das Gegenbild eines Zerstörungsprozesses im physischen Leben der Erde ist. Da muss man jetzt nicht nur durch eine Steigerung des Denkens, durch eine in die Stille hinein erfolgende Steigerung des Sprachvermögens, sondern da muss man durch eine Verinnerlichung desjenigen, was vorgeht, wenn wir als Menschen hier auf der Erde etwas tun, zu der dritten Stufe gelangen. Man muss sich nur klar sein darüber, dass mit «Tun» dabei nicht bloß gemeint ist das äußere physische Tun. Wir tun auch etwas, wenn wir bloß innerlich in Gedanken arbeiten, denn auch da entfaltet sich der Wille. Alles das, wodurch der Mensch sich zur Aktivität aufrafft, sei es ein innerlicher, sei es ein äußerer Prozess, verfließt im Tun und nicht im bloßen Leiden. Aber jedes Mal, wenn ein solches Tun erfolgt, selbst wenn es nur erfolgt im Denken, das eine Initiative hat für Aktivität, erfolgt in ihm ein physischer Prozess. So wie im physischen Denken ein Gehirnprozess erfolgt, wie im physischen Sprechen ein modifizierter Atmungsprozess erfolgt, so erfolgt bei einer solchen in die Tat, in die Handlung überfließenden Willensinitiative ein innerlicher Prozess, ein Prozess, den wir vergleichen können mit jener Vernichtung materiellen Wesens, die wir in allen Verbrennungsprozessen gewahr werden. Sehen wir, wie eine Flamme die Kerzensubstanz zerstört, so sehen wir - ich will jetzt nicht auf irgendwelche feinere chemische Position eingehen, sondern eben nur in populärer Weise auseinandersetzen, was als sinnlich-physischer Vorgang angeschaut werden kann und soll -, wir sehen da, ganz gleichgültig, ob das sich metamorphosiert und in anderes, mehr Unsichtbares hineinverschwindet, wie die Flamme, wie das Verbrennen die Konstitution des Materiellen vernichtet. Solche Prozesse, wo etwas erfasst wird von etwas Ähnlichem, wie von der Flamme die Kerzensubstanz, solche Vorgänge sind es immer, wenn Willensinitiativen in uns vor sich gehen, jene dunklen Prozesse des Willens, die der Mensch sonst im gewöhnlichen Bewusstsein verschläft, zu denen er nicht hinuntersieht. Er weiß nichts davon, was geschieht zwischen der Absicht, die er für die Handlung einer Handbewegung hat, und dem Heben der Hand. Er weiß nicht, wie die Absicht, die im Gedanken lebt, hineinschießt in die Muskeln und dann die Hand zum Heben bringt. Er sieht erst wiederum die Entfaltung in der sich bewegenden Hand. Aber was dazwischen liegt, ist ein verbrennungsähnlicher Prozess. Nur haben wir innerhalb des menschlichen Organismus nicht die Möglichkeit, so zu sprechen, wenn wir durch ein höheres Geistiges diesen Verbrennungsprozess anschauen, der der materielle Prozess ist für die menschliche Willensentfaltung. Wenn wir diesen Verbrennungsprozess verfolgen, haben wir nicht die Möglichkeit, da festzustellen, dass nur Materie umgewandelt wird, sondern es kommt dabei auf die Vernichtung derjenigen Prozesse an, die erst angefacht werden, indem der Mensch sich der gewöhnlichen Ernährung unterzieht. Alle diejenigen physischen verbrennungsähnlichen Prozesse, welche sich abspielen als die Grundlage der Willensentfaltungen, alle diese Prozesse, die eben, wie gesagt, verbrennungsähnlich sind, spielen sich ab zwischen der Fortsetzung des Ernährungsvorganges und der Blutbildung. Wo wir das Blut sich bilden sehen, sehen wir in diese verbrennungsähnlichen Prozesse hinein. Da sehen wir aber auch hinein, wie innerhalb dieser verbrennungsähnlichen Prozesse der menschliche Wille sprüht und kraftet. Wir sehen in einen absteigenden materiellen Prozess hinein. Da sehen wir, zunächst populär gesprochen, wie Materie verschwindet. Aber da können wir etwas Ähnliches gewahr werden, wie wir es bei einer sorgfältigen Meditation gewahr werden, wenn wir von dem äußerlich angeregten Denken übergehen zu dem innerlich bewegten Denken. Wir haben dann im innerlich bewegten Denken etwas, was wir eben erst durch unsere eigene Aktivität gewahr werden. Wir haben in dem tiefen Schweigen der Seele etwas, was hinter unserem physischen Atmungsprozess steckt und aus der geistig-seelischen Welt hereintönt in dem entgegengesetzt Negativen als der aus dem Schweigen heraustönende Logos. Wir kommen aber auch hinter diejenigen Prozesse, die als Verbrennungsprozesse in unserem Organismus wirken, wenn wir dasjenige schauen können, was in unserem Organismus dahinter ist, wenn wir schauen können, wie eben in dem Zerstören, in dem Entwickeln der Verbrennungen in unserem Organismus der Weltenwille wirkt: So wie die Kraft des Logos hinter der Atmungskraft des äußerlich hörbaren Wortes, so sprüht hinter dieser Verbrennungskraft, die fortwährend an unserem Organismus wirkt, die schöpferische Kraft des Weltenwillens, der in uns hereinwirkt. Lernen wir im modifizierten Atem, der aus unserem Kehlkopf zum äußerlich hörbaren Worte sich entwickelt, das dahinterliegende Geistige kennen, das aus dem tiefen Schweigen heraus in entgegengesetzter Richtung der physischen Worte kommt, so aber, dass wir es nicht herauslassen dürfen über den Kehlkopf, lernen wir dieses Geistige kennen, das uns gegenwärtig macht die schweigsame, aber deshalb doch deutlich sprechende Stimme des Weltenlogos, so nehmen wir wahr in all den verbrennungsähnlichen Prozessen, die wir schauen können innerhalb unseres Organismus, den in ihnen flutenden und wellenden Weltenwillen, an dem wir selber teilnehmen; nicht den Schopenhauerschen gedankenlosen Willen, sondern einen überall vom Geiste sprühenden und durchsetzten Willen. Wir fühlen einen vierten Menschen nun in uns. Wir fühlen überall da, wo im physischen Organismus Verbrennungsprozesse, Prozesse des Abbaues walten, schöpferische Prozesse. Wir fühlen uns in der schöpferischen Welt drinnen. Und in dieser schöpferischen Welt werden wir nun gewahr alles das, was in uns selber schöpferisch ist.

GA 84, Seite 123ff